Christina Hanzen | Projekt | Vita | Publikationen
Der gesellschaftliche Wert der Emotion und ihres Ausdrucks. Die Großplastik als Medium in klassischer und hellenistischer Zeit
Klassische Archäologie
Betreuung: Prof. Dr. Anja Klöckner
Die Präsenz der Emotion im gesellschaftlichen Diskurs ist kulturell bedingt und unterliegt einem ständigen Wandel. Zu den Werten und Normen, die sozial ausgehandelt werden, zählt auch der Umgang mit Emotionen. Ihre Medialisierungen bewegen sich in einem Spannungsfeld von Lebenswelten und gesellschaftlichen Diskursen. Somit wird von den emotionalen Darstellungen in einer – gerade in der Klassik – emotionsreduzierten Öffentlichkeit eine besondere Wirkmacht ausgegangen sein, welche bewusst angestrebt wurde.
Im Fokus des Dissertationsprojektes steht die Bedeutung der Emotion in der griechischen Gesellschaft. Schon seit dem 8. Jh. v. Chr. finden Emotionen ihren Weg in die kulturellen Zeugnisse. Gegenstand der Untersuchung ist, wie Darstellungen von Emotionen entstanden sind und aus welchen Vorläufern sie sich entwickelt haben. Ebenso sind die Kontexte, in denen emotionale Bilder auftauchen, von Bedeutung. Welche Figuren zeigen Emotionen und welche nicht? Gibt es bestimmte Kontexte, in denen die Darstellungen häufiger auftreten? Werden sie bewusst eingesetzt und wenn ja, mit welcher Zielsetzung? Mit Sicherheit werden diese im öffentlichen Raum platzierten Darstellungen mehr Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben, als es unbewegte, dem griechischen Ideal der Emotionslosigkeit entsprechende, Bilder getan haben. In der psychologischen Forschung gilt es schon lange als gesichert, dass Emotionen Botschaften im Betrachter stärker verankern.
Die Untersuchung wird sich auf dreidimensionale Bildwerke konzentrieren, sind Skulpturen doch das Leitmedium sozialer Repräsentation. Ein bislang wenig berücksichtigter Aspekt dieser Materialgattung ist ihre „lange Lebensdauer“. Botschaften, die mithilfe von an öffentlichen Orten aufgestellten Stücken vermittelt werden sollten, müssen auf ein großes Publikum und Langlebigkeit hin konzipiert worden sein. Wenn in diesem Kontext mit emotionalen Ausdrücken gearbeitet wurde, so muss es dafür in einer Gesellschaft, in der Affekt- und Emotionslosigkeit in der Öffentlichkeit als Ideal angesehen wurden, Gründe gegeben haben.
Die Untersuchung soll sich auf die klassische und hellenistische Zeit der griechischen Kunst konzentrieren, im Mittelpunkt steht vor allem der Übergang zwischen diesen Epochen. Die Auswirkungen der unwiderruflichen Veränderungen der politischen Welt lassen sich in allen Kunstgattungen fassen und übten auch auf den Untersuchungsgegenstand Großplastik einen bedeutenden Einfluss auf.
Ein weiteres Ziel der Arbeit ist es, die Anwendbarkeit von Theorien aus dem Bereich „History of Emotions“ für die zu untersuchende Zeit und ihre Bildwerke zu prüfen. Auf der einen Seite soll der Frage nach dem universellen Verständnis der Emotion als Botschaftsträger nachgegangen werden. Hier spielen die Erkenntnisse der Emotionspsychologie, vor allem der Schule um Paul Ekman, eine große Rolle. Zudem werden für das Ziel der Arbeit, die Rolle der Emotion in der antiken griechischen Gesellschaft besser zu verorten, gesellschaftspolitische Konzepte hinzugezogen. Hier können die Theorien der „emotional communities“ von Barbara Rosenwein und der „emotional regimes“ von William Reddy anwendbar gemacht werden.